"Ruf nach härteren Strafen oft reflexartig"

Brandstetter: Bei Dschihadisten sind keine neuen Gesetze nötig
Prävention vor Repression. Aberkennung von Staatsbürgerschaften ist für den Justizminister derzeit "kein Thema".

Justizminister Wolfgang Brandstetter über den Kampf der Justiz gegen den Terror, die Vorratsdatenspeicherung und die Idee, Integrationsunwilligen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen:

Herr Minister, mehrere SPÖ-Politiker haben zuletzt gefordert, man müsse Menschen, die sich nicht integrieren wollen oder die für Terror-Milizen wie ISIS kämpfen, die Staatsbürgerschaft aberkennen. Ein sinnvoller Vorstoß?

Wolfgang Brandstetter: Formal fällt das ja nicht in meinen Kompetenzbereich, sondern in den des Innenministeriums, aber ich will trotzdem etwas dazu sagen: Das Aberkennen von Staatsbürgerschaften ist laut internationalen Abkommen nur bei Doppelstaatsbürgerschaften möglich. In allen anderen Fällen müsste man sogar völkerrechtliche Verpflichtungen ändern. Um es kurz zu machen: Für mein Ressort ist das derzeit kein Thema.

Was halten Sie von Strafdrohungen bei "Nicht-Integration"? Immerhin gibt’s bei Verstößen gegen das Schulpflichtgesetz auch Verwaltungsstrafen.

Das Kriminalstrafrecht ist die schwerste Keule des Staates und nur bei extrem sozialschädlichen Verhaltensweisen geboten. Alle Experten werden Ihnen bestätigen, dass ein gerichtlich strafbarer Tatbestand für Nicht-Integration nicht sinnvoll ist.

Angesichts der Schwierigkeiten, die Justiz und Polizei haben, wenn sie gegen Syrien-Heimkehrer und damit gegen potenzielle Terroristen ermitteln, stellt sich die Frage: Hat die Justiz genug Instrumente, um diese Fälle zu klären?

Auch hier sage ich: Ich sehe keine Notwendigkeit, legistisch neue Grundlagen zu schaffen, um gegen Menschen zu ermitteln, die in den vermeintlich Heiligen Krieg ziehen. Jede Form der Unterstützung einer terroristischen Organisation ist schon jetzt strafbar – und zwar bei einer Strafdrohung von zehn Jahren. Hier haben wir ausreichende Gesetze.

Die Vorratsdatenspeicherung wurde vom Verfassungsgerichtshof zwar aufgehoben, Ermittler halten sie aber für sinnvoll, zumal die Daten für Verrechnungszwecke bei den Telefonanbietern ohnehin aufbehalten werden. Wie sehen Sie das?

Bei Terrorismus und Schwerstkriminalität bin ich dafür, eine entsprechende Ersatzregelung zu schaffen – selbstverständlich unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Es ist aber sinnvoll dies nicht innerstaatlich zu lösen, da auf europäischer Ebene gerade eine solche Regelung im Gespräch ist. Nächste Woche ist Justizministerrat in Riga, dort werden wir das Thema diskutieren. Es ist klüger, diesen Diskussionsprozess in unserem Sinne zu beeinflussen als einen nationalen Alleingang zu wagen.

Haben Sie das Gefühl, dass die Justiz und das Strafrecht bei emotionalen Themen wie der Integration oder dem Terrorismus überstrapaziert werden?

Teilweise ja. Der Ruf nach härteren Strafen erfolgt oft reflexartig, bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: So einfach ist das alles nicht. Ich bleibe dabei: Prävention ist immer besser als Repression.

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