WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Karriere
  4. Zeitwertkonten: Gesparte Arbeitszeit schützt vor Entlassung

Karriere Zeitwertkonten

Gesparte Arbeitszeit schützt vor Entlassung

Bergmann auf Zeche Bergwerk West an Stechuhr Bergmann auf Zeche Bergwerk West an Stechuhr
Quelle: dpa
Zeitsparkonten werden für die Pause zwischendurch oder den vorgezogenen Ruhestand immer beliebter: Richtig genutzt helfen sie Beschäftigten und Unternehmen – mit Unterstützung des Staates. WELT ONLINE zeigt, warum es sich lohnt, Arbeitszeit anzusparen.

Viele Mitarbeiter können sich künftig ihr Vorruhestandsmodell selbst bauen. „Heute verzichten, morgen verdienen“, so die Idee: Der Arbeitnehmer zahlt heute auf ein Konto ein, lässt sein Guthaben Rendite erwirtschaften – und bezieht daraus in Zukunft auch dann Einkommen, wenn er nicht mehr arbeiten will.

All das spielt sich im Rahmen eines Konzepts ab, das Zeitwertkonten heißt. Der Gesetzgeber wollte damit den Betrieben und Mitarbeitern unter die Arme greifen, die Freistellungen finanzieren wollen. Die rechtliche Grundlage ist das Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen.

Was nach Paragrafen und Theorie klingt, kann sehr greifbare Folgen haben. Ein Beispiel: Max Mustermann macht jeden Monat acht Überstunden. Den Gegenwert in Lohn-Euro lässt er sich nicht auszahlen, sondern parkt dieses Geld auf einem Zeitwertkonto. Das tut er viele Jahre lang. Damit kann er eine reiche Ernte einfahren, wie Daniel Jäckel von der Gothaer Lebensversicherung erläutert: „Nach sieben Jahren hat er sich ein bezahltes Sabbatical von drei Monaten erarbeitet.“ Überdies kann er seinen Ruhestand deutlich nach vorne verlegen. „Zwei Jahre früher aus dem Arbeitsleben, und das bei 90 Prozent der Bezüge“, rechnet der Versicherungsexperte vor.

In den derzeitigen Turbulenzen kann das Zeitsparkonto auch vor Entlassung schützen. Die Firma schickt Mitarbeiter solange in die Ferien, bis wieder genügend Aufträge eingetroffen sind. Der Lohn für diese Rezessions-Ferien wird aus dem angesammelten Guthaben entnommen. Auf diese Weise spart der Betrieb die Lohnzahlungen, der Arbeitsplatz bleibt aber erhalten – in der Hoffnung auf gute Zeiten.

Der Gesetzgeber fördert diesen Typ des Sparens durch ein Privileg: Jeder Euro, der auf ein Zeitwertkonto eingezahlt wird, ist weder mit Steuern noch mit Abgaben zur Sozialversicherung belastet. „Die Einzahlungen werden aus dem Bruttolohn gespeist“, beschreibt Albrecht Martin von Euroswitch, einem Finanzdienstleister mit Spezialgebiet Zeitwertkonten, das Prinzip.

"Jeder fünfte Arbeitnehmer hat heute schon ein Zeitwertkonto“, berichtet Maike Maaßen von der Gothaer über das Ergebnis einer Studie. Wer diese Möglichkeit nutzt, zahlt entweder Lohnteile oder Arbeitstage auf das Konto ein; bei Letzterem wird der Gegenwert in Lohn-Euro gutgeschrieben. Durchschnittsverdiener zahlen erfahrungsgemäß zwischen 100 und 350 Euro im Monat ein. Auch Prämien oder Weihnachtsgeld werden oft ebenfalls auf das Zeitwertkonto weitergeleitet. Führungskräfte nutzen die Zeitwertkonten ebenfalls. „Sie zahlen zum Teil sehr hohe Beträge ein“, weiß Anlageexperte Martin.

Auf das Geschäft mit Zeitwertkonten hat sich eine ganze Phalanx von Finanzdienstleistern spezialisiert, u. a. die Gothaer ebenso wie Euroswitch oder die Dresdner Bank. „Die Guthaben werden in Fonds oder Versicherungsprodukten angelegt“, sagt Maaßen.

In Phasen von Nichtarbeit kann das Geld ausbezahlt werden. „Manche nutzen Zeitwertkonten für die Finanzierung ihrer Babypause, andere gönnen sich eine Auszeit oder schaffen sich damit Einkommen für ihren Vorruhestand“, sagt Anlageexperte Martin, ebenso für längere Weiterbildungen. Das häufigste Anlageziel ist freilich die Finanzierung des Vorruhestands, in 74 Prozent der Unternehmen steht es im Vordergrund. An zweiter Stelle steht mit 44 Prozent die Freistellung für Fortbildung, ermittelte die Towers-Perrin-Studie "Zeitwertkonten 2007“ (Mehrfachnennungen).

Solange das Konto gefüttert wird, greift der Fiskus das Ersparte nicht an. Erst wenn das Vermögen zu Einkommen wird, werden, wie bei einer normalen Lohnzahlung, Steuern und Abgaben für die Sozialversicherung fällig. Dennoch ist das Zeitwertkonto ein Gewinn für den Arbeitnehmer – weil es aus dem Vorsteuerlohn gespeist wird und es damit eine bessere Rendite erwirtschaften kann als Anlagen, die aus dem Nachsteuerlohn gekauft werden.

Ab Anfang kommenden Jahres erwarten den Arbeitnehmer noch einige Verbesserungen, diese gesetzlichen Änderungen laufen unter dem Stichwort Flexi II. "Erstmals sichert der Gesetzgeber auch die Portabilität des Vermögens“, erläutert Michael Karst von Rauser Towers Perrin (RTP), einer Unternehmensberatung. Was er damit meint: Wer die Stelle wechselt, kann ab 2009 sein Zeitwertkonto auch beim neuen Arbeitgeber weiterführen. Der alte Betrieb gibt das Guthaben des scheidenden Mitarbeiters frei, dieser übergibt das Konto der gesetzlichen Rentenversicherung, die es fortan weiter betreut. „Das ist ein echter Fortschritt“, kommentiert Karst die Neuerung, denn bislang wurde das Guthaben bei einem Stellenwechsel ausgeschüttet, der Sparprozess damit abgewürgt. Überdies ist das Geld der Mitarbeiter auch besser abgesichert, wenn der Arbeitgeber bankrott geht.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema